Das noch recht junge Regulierungsverfahren beim BKartA gemäß § 19a GWB ist um eine Entscheidung reicher. Diese Woche hat der BGH die Feststellung von Apples Stellung als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb bestätigt. Eine Beschwerde des Unternehmens gegen die behördliche Feststellung blieb damit erfolglos.
Der § 19a GWB wurde erst vor wenigen Jahren eingeführt. Seinem Inhalt nach bezieht er sich vor allem auf Plattformunternehmen. Diese kann das BKartA in einem ersten Schritt daraufhin untersuchen, ob ein solches Unternehmen über eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb verfügt (Abs. 1). Erst wenn diese Regulierungsbedürftigkeit festgestellt ist, kann das BKartA in einem zweiten Verfahrensschritt konkrete Abhilfemaßnahmen auferlegen (Abs. 2). Hier handelte es sich um eine Grundverfügung gemäß § 19a Abs. 1 GWB über die Feststellung der Regulierungsbedürftigkeit.
Im Rahmen der Einführung des § 19a GWB wurde außerdem eine gesetzliche Rechtswegverkürzung aufgenommen. Rechtsbehelfe von Unternehmen gegen Entscheidungen des BKartA im Zusammenhang mit dieser Vorschrift gehen direkt an den BGH. Dieser entscheidet damit nicht nur als Rechtsinstanz, sondern auch als Tatsacheninstanz. Über dieses Vorgehen soll schneller Rechtssicherheit gewonnen werden.
Der Volltext der Entscheidung steht noch aus, es gibt nur die Pressemitteilung. Aus dieser lassen sich jedenfalls neben der Zusammenfassung drei interessante Punkte entnehmen:
- Der ümüB-Feststellung stehen weder verfassungs- noch unionsrechtliche Gründe entgegen, insbesondere nicht der DMA. Dies ist insofern nicht neu, als dass der BGH bereits einmal diese erhobenen Einwände negiert hatte. Ich selbst stand der Einführung des § 19a GWB auch schon länger sehr kritisch gegenüber. Eine Vorlage an den EuGH sieht das Gericht jedenfalls aber nicht, sodass die Anwendung wohl sehr klar sein dürfte. Trotzdem ergibt sich aus den Äußerungen des BKartA immer wieder auch, dass diese sehr bedacht auf etwaige Abgrenzungen und Kompetenzen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Kommission sind. Es dürfte also absehbar keinen Kompetenzkonflikt mit der Kommission geben.
- Ein mehrseitiger Markt gemäß § 18 Abs. 3a GWB kann auch ohne Geschäftsabschlüsse schon angenommen werden, wenn die Plattform die Aufmerksamkeit einer Nutzergruppe auf die andere gelenkt oder eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Nutzergruppen technisch ermöglicht wird. Diese Feststellung ist sehr wichtig und zwar vor allem für die Fragen der Marktdefinition und Feststellung der Marktbeherrschung. Da schon das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage maßgeblich für die Marktfeststellung sind, muss es auf konkrete Transaktionen nicht ankommen. Diese können ein Indiz sein. Allein schon wenn eine Vermittlungsleistung nachgefragt wird, bescheinigt dies hier schon ein konkretes Marktverhältnis.
- Für die ümüB-Feststellung ist keine konkrete Gefahr für den Wettbewerb erforderlich, sondern es reicht ein abstraktes Gefährdungspotenzial. In der Gesetzesbegründung ist auch noch der Satz zu finden, es reiche ein Anfangsverdacht aus, damit das BKartA ermitteln könnte. Ein solcher Verdacht dürfte sich also wohl auf dieses abstrakte Gefährdungspotenzial beschränken und nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen kartellrechtliche Verbote beziehen.
Die jetzt bestandskräftige Entscheidung des BKartA ist eine Grundverfügung. Erst auf sie gestützt kann die Behörde im zweiten Schritt Abhilfemaßnahmen gemäß § 19a Abs. 2 GWB erlassen. Ein Anlass für derartige Maßnahmen dürfte bereits bestehen. Das BKartA hat dem Unternehmen vor wenigen Wochen seine Rechtsauffassung zum sogenannten App Tracking Transparency Framework (ATTF) mitgeteilt. Danach verhalte sich das Unternehmen missbräuchlich, indem es die Bedingungen für Drittanbieter erschwert, für ihre Apps Einwilligungen zur Datennutzung einzuholen. Laut BKartA seien die Darstellungen bei Drittanbieter-Apps eher in Richtung Ablehnung ausgestaltet und bei eigenen Apps dagegen eher in Richtung Einwilligung. Auch die französische Wettbewerbsbehörde geht wegen Apples ATTF vor, legt aber soweit ersichtlich laut ihrer Pressemitteilung eher einen Fokus auf den privilegierten Datenzugang. |
Die Entscheidungen der beiden Verfahrensstufen können jeweils isoliert voneinander angefochten werden. Es bleibt Apple also immer noch die Möglichkeit, etwaige zukünftige Abhilfeentscheidungen des BKartA gemäß § 19a Abs. 2 GWB anzufechten. Zudem muss es im Zusammenhang mit den Zweifeln des BKartA nicht einmal zu einer Abhilfeverfügung kommen. Ein Verfahren nach § 19a Abs. 2 GWB kann auch kooperativ beendet werden.